Tradition im neuen Gewand

Seit 35 Jahren verschmelzen in der Kleidermanufaktur von Trachtenherstellerin Regina Wiener­roither traditionelle Elemente mit innovativen Ideen. Vor kurzem präsentierte die Saalfeldnerin ihr erstes Strickdirndl, das bequem wie ein Pulli und dabei anliegend wie ein Dirndl ist. Vor 35 Jahren hat sich die gebürtige Saalfeldnerin Regina Wienerroither der Tracht verschrieben und ihr eigenes Label gegründet. Auch ihr Sohn Simon hat bereits die Lehre zum Herren-Kleidermacher absolviert.

Was war, vor nunmehr 35 Jahren, Ihre Motivation, eine Kleidermanufaktur zu ­gründen?

Es hat mich schon immer fasziniert, selber Kleider zu entwerfen. Nach meiner Lehre als Kleidermacherin und nach der Meisterprüfung wurde mein Wunsch nach einer eigenen Manufaktur, in der ich meine eigenen Kreationen verwirklichen kann, immer stärker.

Hat der Standort Saalfelden es begünstigt, dass Sie sich auf Trachtendesigns ­spezialisiert haben?

Ja, sicher, aber auch die Tatsache, dass ich nach meiner Lehre als Damen-Kleidermacherin die Trachtenklasse im Annahof besucht habe, die von einer sehr guten Lehrerin, die die Tracht geliebt und gelebt hat, geleitet wurde. Frau Winkelmair hat uns ein enormes Wissen rund um die Tracht weitergegeben. Die Klasse bestand aus Schülerinnen aus ganz Österreich und auch aus Bayern. Dadurch habe ich einen Einblick in die gesamte Trachtentradition Österreichs und Bayerns bekommen.

Inwiefern hat sich die Dirndl-Couture in den drei Jahrzehnten verändert?

In meiner Jugend war jedes Trachtendesign strikt vorgegeben. Jede Falte war in der Trachtenmappe eingezeichnet. Die Schürze war gezogen. Die Schnitte waren ganz anders. Man hat das Dirndl sehr eng getragen. Man fühlte sich wie in ein Korsett hineingezwängt. Irgendwann habe ich dann den Drang verspürt diese starren Pfade zu verlassen und einen eigenen Stil zu prägen. Generell fallen die Dirndlschnitte heutzutage bequemer aus. Dieser Wandel ist dem Zeitgeist zuzuschreiben – nicht nur von der Mode her betrachtet.

Vor zwölf Jahren haben Sie als erste Designerin ein Stretch-Dirndl auf den Markt gebracht. Wie kam es dazu?

Das hat sich in den Gesprächen mit meinen Kundinnen ergeben, weil sie sich ein bequemes Dirndl gewünscht haben. Dann dachte ich mir, wenn es bei den Jeans funktioniert, dann sollte es bei einem Dirndl auch funktionieren.

Ihr neues Stretch-Steppmieder ist ein Paradeexemplar Ihrer Linie, die traditionelle Tracht neu zu interpretieren. Wie entstand dieses?

Das ist an die Pinzgauer Festtracht angelehnt, in welchen dieses Steppmieder enthalten ist. Die Tatsache, dass diese im Vorjahr von der UNESCO in das Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen wurde, habe ich zum Anlass genommen, dieses neu zu interpretieren. Getragen kann dieses durchaus auch mit Jeans. Man darf auch in der Taille Haut zeigen.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Strickdirndl zu kreieren?

Das lag daran, dass heutzutage der Tragekomfort sehr wichtig ist. Das Strickdirndl erfüllt diese Ansprüche: Es trägt sich wie ein bequemer Pulli und liegt trotzdem eng an wie ein Dirndl. Bei Bedarf wächst der Strickstoff auf bis zu zehn Zentimeter in der Breite mit. Den endgültigen Impuls dazu gab mir aber das Berchtesgadener Jackerl, das ich beim Durch­stöbern meines Lagers entdeckte. Ein schwarzes Strickjackerl, das beim Ausschnitt immer den rotgrünen Aufputz hat. Der halsferne Ausschnitt und die Pommeln beim Mascherl sowie die Silberknöpfe haben mich inspiriert, das Strickdirndl zu entwickeln. Eine schöne Geschichte ist auch, dass viele meiner Kundinnen dieses Jackerl in ihrer Kindheit bereits getragen haben. Meine Vorlage ist 150 Jahre alt.

Welche Stilelemente sind für das Wienerroither-Design typisch?

Ein schmal geschnittener Rock sowie die glatte Schürze. Diese ist am Dirndlmarkt einzigartig.

Sie machen auch Corporate Fashion. Wie schaut Ihr Zugang dazu aus?

Zu Beginn fahren wir ins Unternehmen, wo wir uns die Philosophie anschauen und die Ansprüche erkunden. Danach kommen Modelle hervor, die durch einen speziellen Stoffdruck bestechen und die Unternehmensmarke durch Farbgebung und Stilelemente emotional aufladen. Wie zum Beispiel bei den Dirndlkleidern der Mitarbeiterinnen aus der Confiserie Berger.

Woher beziehen Sie Ihre Materialien?

Die Lodenstoffe bekommen wir aus der Steiermark von der Firma Steiner Loden und Leichtfried, die ganz besondere Farben im Sortiment anbietet. Wir arbeiten auch mit Stofffirmen aus Bayern zusammen. Das Reinleinen beziehen wir aus Oberösterreich, die Walkstoffe aus Tirol.

Humanökologische ­Standards werden bei Ihnen großgeschrieben. Wo ­werden diese umgesetzt?

Vor sechs Jahren haben wir unsere Kleidermanufaktur als Holzhaus gebaut. Das ganze Gebäude wird fast ausschließlich mit Strom aus der eigenen Solaranlage versorgt. Geheizt wird rein mit Erdwärme. Mir ist auch schon seit vielen Jahren besonders wichtig, dass wir ein Inlandsprodukt machen. Möglichst kurze Transportwege und eine ressourcenschonende Logistik liegen uns am Herzen.

Warum findet man Ihre Designs nicht im ausgesuchten Fachhandel?

Weil sich unsere regionale Produktion nicht mit den niedrigen Preisen des Zwischenhandels vereinbaren lässt.

Wie gelingt es, als Manu­faktur wirtschaftlich ­erfolgreich zu sein?

Indem man ein eigenes Design macht und immer wieder neue Ideen auf den Markt bringt. Da gibt es das Fünf-A-Prinzip, das mir dazu als Antwort einfällt: Alles anders als Alle anderen. Um erfolgreich zu sein, braucht es ein Produkt, ein eigenes Design und eine eigene Philosophie. Dann hat man auch Kunden, die den Preis eines Unikats bezahlen.

Was ist für Sie Erfolg?

In beruflicher Hinsicht dass das, was man kreiert und genäht hat, beim Kunden gut ankommt.

Und privat?

Das Glücklichsein als Entscheidung zu sehen. Glück entsteht im Inneren, es wird nicht von außen geliefert.